Kommerzieller Überbau. Das Bettenhaus der Charité soll aufgestockt werden
Das Kürzel EbM kann bleiben, wenn die Evidence-based Medicine jetzt gezwungen wird, zur Economy-based Medicine zu mutieren. Nicht einmal die Hochschulmedizin ist immun gegen die rapide Durchwucherung mit Kommerz-Zellen verschiedener Malignitätsgrade: Jede Menge Auftragsforschung und Arzneimittelstudien für die Industrie, von der sich nicht wenige Hochschullehrer als Meinungsführer vereinnahmen und verwöhnen lassen.
In Analogie zum „Militärisch-industriellen Komplex” (1) sprechen Kritiker in den USA und bei uns schon lange vom „Medizinisch-industriellen Komplex”. Diese für die wissenschaftliche Objektivität so bedrohliche Komplexbildung scheint bei uns sogar erwünscht zu sein – als „PPP” (Public Private Partnership). Nehmen wir als Beispiel Berlin, wo sich die vereinigte Medizin zweier Universitäten mit dem altrenommierten Namen „Charité” (Barmherzigkeit) schmückt. Die Charité ist jetzt ein „Unternehmen”, gar ein „Profit Center”, und das Sagen haben nicht mehr die Ärzte, sondern die „Koofmichs”, wie sie in Berlin heißen. Diese wollen jetzt auf das 21stöckige, 82 Meter hohe Bettenhaus (Baujahr 1982) noch sieben Etagen draufsetzen und an die Industrie vermieten.
Was für ein Symbol! Die Charité als ver(bau)körperter Medizinisch-industrieller Komplex. Nicht die Wissenschaft, sondern der Kommerz als Überbau. Selbst wenn die bauliche Statik stimmt, gerät die Hochschulmedizin, ohnehin schon in Schieflage, ins Kippen. Übrigens werden die bestehenden 21 Etagen verhüllt – mit Riesen-Werbeplakaten, die bis abends um 23.00 Uhr angestrahlt werden sollen. Arme Patienten.
Ein sensibler Seelenarzt aus Dresden, der den Sozialismus gründlich satt hatte, sah eine solche Entwicklung gleich nach der Wende voraus und hielt seine Zukunftsvision in einer Collage fest: Auf dem Farbdruck einer berühmten Canaletto-Vedute in seinem Arbeitszimmer krönte er die Kuppel der Frauenkirche (damals noch ein Trümmerhaufen) mit dem Mercedes-Stern. mehr erfahren
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